Gestaltung von Zwecken, statt Formung von Funktionen: Human-mentored Design. Eine philosophische Perspektive

Die noch äußerst junge Geschichte des Designs seit der industriellen Revolution ist zugleich eine äußerst dynamische, was seinen Begriff anbelangt. Jede signifikante technologische Invention eröffnet zugleich neue Perspektiven ihrer Gestaltung. Zwischen der ersten Maschinenästhetik der frühen Industrieanlagen und dem omnipräsenten Interfacedesign unserer digitalen Gegenwart liegen kaum 200 Jahre. Dennoch sprechen wir wie selbstverständlich von Epochen einer Designgeschichte und erwägen dagegen nur beiläufig, ob das Bedürfnis nach einer gelungenen Gestaltung nicht schon mit den ersten menschlichen Artefakten in die Welt gekommen sein könnte. Dabei kennzeichnet auch die Frühindustrialisierung eine lange Phase des Übergangs und der Absetzung von den jahrtausendealten Handwerkskünsten. Gerade die Maschinenästhetik als bewusster Bruch mit historischem Dekor und stilistischer Verschalung ist zunächst kein Produkt von Maschinen, sondern des erprobten Kunstverstandes und der bis dato noch unerreichten Präzision verschiedenster Gewerke, unter denen sich einige auf diese Weise ihr eigenes, wenngleich formvollendetes Grabmal meißeln sollten. Am anderen Ende dieses Zeitstrahls scheinen wir mit einem ähnlichen Phänomen konfrontiert, indem es die einst sperrigen Apparaturen dahin gebracht zu haben scheinen, über den Umweg der Turing Maschine nunmehr an ihrer Selbstreproduktion zu arbeiten und dabei menschliches Können und Wissen in vielen Bereichen schon weit hinter sich zu lassen. Was aber haben ChatGPT oder Bard etwa mit der ersten Präzisions-Ventil-Dampfmaschine von Sulzer aus dem Jahre 1865 gemeinsam, dass wir sie
beide als Designobjekte auffassen können?

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